"Nachhaltiger Bauen mit Beton" – unter diesem Motto meldeten sich die BetonTage vom 21. - 23. Juni 2022 als Präsenzveranstaltung nach einer pandemiebedingten Digitalversion zurück. Für die Teilnehmenden war nicht nur der Juni-Termin neu, sondern auch die Location: Europas größter Fachkongress der Betonfertigteilindustrie fand erstmals im Congress Centrum in Ulm statt. Die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten im Foyer boten genügend Platz für die begleitende Ausstellung der Zuliefer-, Maschinen- und Softwareindustrie, die mit 122 Ständen komplett ausgebucht war. Die vorhandenen Raumkapazitäten ermöglichten wieder mehrere parallellaufende Podien am Nachmittag. Neu war das tägliche Streamen der Beiträge im Plenum und der Nachmittags-Session aus dem Einsteinsaal durch das eigene Digital-Team des Veranstalters, das es ermöglicht, auch aus der Ferne live an den Vorträgen teilzunehmen.
Visionäre Ziele für die Zukunft
Die Stimmung der Anwesenden auf dem traditionsreichen Branchentreff war sehr gut, für die rund 1.800 Teilnehmenden ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität. Sie freuten sich nach mehr als zwei Jahren wieder in den persönlichen Austausch miteinander treten zu können, etwas, was die digitalen Alternativen nicht ersetzen können. Neben dem Networking wurden wieder Impulse und Inspiration durch die Fachvorträge und Keynote-Speaker geboten.
Zu Letzteren gehörte Prof. Dr. Pero Mićić, FutureManagementGroup AG, Eltville. Der Experte für Zukunftsmärkte und Strategie teilte an der Eröffnung seinen Masterplan für die Zukunftssicherung der Branche mit dem Publikum. Anhand von zahlreichen Praxisbeispielen zeigte er auf, was gerade in ungewissen Zeiten zu tun ist, um ein Unternehmen für die kommenden Jahre zu rüsten.
Eine Vision für die Zukunft des Bauens hat Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach, Technische Universität Dresden. In den Braunkohlerevieren der Lausitz und Mitteldeutschlands sollen zwei neue Großforschungszentren entstehen. Zu den Kandidaten, die noch im Rennen für die Milliardenförderung durch Bund und Länder sind, gehört das Forschungszentrum Lausitz Art of Building, kurz LAB, das er vorstellte. Rund 1.500 Wissenschaftler:innen sollen hier interdisziplinär zusammenarbeiten und das Bauen revolutionieren. „5,3 % ist der Anteil, den das Bauwesen am Bruttoinlandsprodukt hat, 25 % der Anteil, den das Bauen und die Nutzung der gebauten Umwelt zum CO2-Ausstoß beiträgt und nur 0,26 % der Anteil, den das Bauwesen von der gesamten Fördersumme des Bundesforschungsministeriums bekommt. Das Verhältnis muss sich dringend ändern“, so der Fachmann. Geforscht werden soll nicht nur bezüglich der Verringerung des CO2-Ausstoßes. Ziel ist es auch, mit weniger und auch neuen Materialien wie leichten Betonen energie- und ressourceneffizient zu bauen sowie die Digitalisierung im Bauwesen weiter voranzureiben.
Das Thema Ressourceneffizienz wird auch in den nächsten Jahren ein Beherrschendes bleiben. Und so zog es sich wie ein roter Faden auch durch das Fachprogramm der diesjährigen BetonTage. Zukunftsweisende Vorträge zeigten, wo die Reise hingeht. Neue Generationen von Betonen, klinkerarme Bindemittel, alternative Bewehrungen und der Einsatz von RC-Gesteinskörnungen seien hier exemplarisch genannt. Außerdem wurden innovative vorgefertigte Betonbauteile für den Hoch- und Tiefbau vorgestellt. Nicht fehlen durften Updates zu den aktuellen Fortschritten beim Carbonbeton und beim 3D-Druck.
Know-how für die Branche
Wichtige Impulse für den betrieblichen Alltag der Betonfertigteilhersteller boten wieder die produktspezifischen Podien am Nachmittag, die mit den einschlägigen Fachvereinigungen geplant wurden. Das Spektrum reichte von Vorträgen zum konstruktiven Betonfertigteilbau, zur Herstellung von Betonprodukten des Straßen-, Landschafts- und Gartenbaus, zum Betonwerkstein sowie für den Kanalbau bis hin zu Leichtbeton. Ein spezielles Schulungsangebot gab es auch dieses Jahr für Produktionsmitarbeiter:innen. Der Praxis-Workshop beinhaltete Vorträge und Live-Vorführungen beispielsweise zum Einsatz von Carbonbewehrungen, von CO2-reduzierten Betonen und von rezyklierten Gesteinskörnungen.
Im „Forum Innovation“ konnten die Aussteller in Kurzvorträgen ihre neuen Produkte und Dienstleistungen für die Betonfertigteilbranche präsentieren. Den besten Neuentwicklungen wurden an der Eröffnung der Innovationspreis der Zulieferindustrie 2022 verliehen. In diesem Jahr freuten sich gleich zwei Unternehmen über die auszeichnung: Die Dyckerhoff GmbH gewann die Auszeichnung für ihre neuen CO2-effizienten CEM II/C-Zemente CEDUR und ECO COMFORT. Die Master Builders Solutions Deutschland GmbH, Mannheim, wurde für ihre Neuentwicklung MasterProtect NFF 2000, eine innovative Schaumstofftechnologie, belohnt.
Impulse für Architektur und Planung
Die BetonTage verstehen sich nicht nur als Weiterbildungsplattform für die Branche, sondern auch als Plattform für Marktpartner des Baustoffs. Seit vielen Jahren wird daher gemeinsam mit dem InformationsZentrum Beton und der Deutschen Bauzeitschrift das Podium „Beton in der Architektur“ ausgerichtet. Namhafte, aber auch junge Architekturbüros präsentieren hier ihre realisierten Projekte und berichten über ihre Erfahrungen mit dem Baustoff. So stand unter anderem das erste Gebäude aus Carbonbeton – das CUBE in Dresden auf dem Programm. Aber auch preisgekrönte Beispiele aus der Schweiz und eine Wohnsiedlung in Dänemark aus Betonfertigteilen, die bereits in den 1960er und 1970er-Jahren verwendet wurden, und derzeit wiederaufgebaut wird, wurden vorgestellt. Spannende Einblicke bot auch die Gastregion Südtirol, die von je her einen kreativen Umgang mit dem Baustoff Beton pflegt. Rund 250 Architekten und Architektinnen nutzten die Veranstaltung zur Fortbildung. Interessante architektonische Objektberichte für diese Zielgruppe lieferten zudem die Podien „Betonwerkstein“ und „Konstruktiver Fertigteilbau“. Letzteres hatte das Thema „Architekturbeton“ zum Schwerpunkt.
3. Zukunftstag Bauwirtschaft
Der diesjährige Zukunftstag Bauwirtschaft beschäftigte sich unter anderem mit der Digitalisierung am Bau. So wurde der Einsatz von BIM, Virtual und Augmented Reality sowie die Durchführung digitaler Qualitätsprüfungen im Baustellenmanagement thematisiert. Einen engagierten Einblick in die Zukunft des Bauens mit all seinen Facetten bot der Geschäftsführende Gesellschafter der WOLFF & MÜLLER Holding GmbH & Co. KG, Stuttgart, Dr. Albert Dürr. Thomas Möller, Geschäftsführer Bauwirtschaft Baden-Württemberg e. V., gab zusätzlich ein Update zur Baukonjunktur. Preisexplosionen und Materialknappheit prägen nicht erst seit dem Ukrainekrieg den Markt und lassen damit auch die Preise für Bauleistungen stark ansteigen. Wegen der extremen Kostenentwicklung drohten vermehrt Stornierungen von Bauaufträgen, vor allem im Hochbau.
Markt im Blick
Mit Sorge blickt auch die Betonfertigteilindustrie auf den Markt, so Friedrich Gebhart, Präsident des Fachverbandes Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg und Repräsentant DEUTSCHE BETONBAUTEILE im Rahmen des Pressegespräches der BetonTage. Zwar sei das vergangene Jahr erneut positiv für die Branche ausgefallen – ihr Umsatz stieg um 6 % auf rund 7,3 Mrd. € - für 2022 werde jedoch einen Rückgang von rund 3 % erwartet. „Material- und Lieferengpässe, zum Teil drastische Preissteigerungen bei Baustahl, Dämmstoffen und Zement, aber auch die stark reduzierte Förderkulisse der Öffentlichen Hand im Wohnungsbau sowie steigende Zinsen werden zu einer Mengenreduzierung im Bauvolumen führen,“ prognostizierte er. Erste Anzeichen dafür seien die Rückgänge der Baugenehmigungen im ersten Quartal 2022.
Umso wichtiger sei es, sich als Branche in Initiativen wie solid UNIT – dem Netzwerk innovativer Massivbau – zu engagieren. Es gelte sich mit sachlichen Argumenten in der Politik zu positionieren und das Bauen mit vorfertigten Betonbauteilen als die langfristig nachhaltigste Alternative im Vergleich zu Leichtbauweisen zu etablieren. Gerade das serielle und modulare Bauen erlebe derzeit positive Unterstützung, trage es doch zu einem schnellen, bezahlbaren Wohnen bei. Dennoch müsse sich die Betonbauweise weiterentwickeln – und genau das würden die vielen Praxisbeispielen auf den BetonTagen vermitteln.
Das Innovationspotenzial des Baustoffs Beton aufzeigen und den Wissenstransfer von der Forschung zur Praxis vorantreiben, bleiben weiterhin die Ziele des Branchenevents. „Wir freuen über die gelungene Premiere am neuen Standort und haben den Wechsel in das Congress Centrum Ulm nicht bereut. Um Planungssicherheit zu haben, werden wir im nächsten Jahr auch an dem Termin im Juni festhalten“, so Dr. Ulrich Lotz, Geschäftsführer der FBF Betondienst GmbH. Und so lädt der Veranstalter schon jetzt zu den 67. BetonTagen vom 20. - 22. Juni 2023 nach Ulm ein.
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